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1 ISLAND, 2 MONKS AND UNTOUCHED GRANITE

Caroline Ciavaldini

Caro Ciavaldini von Wild Country über das Klettern auf Kinkasan, Japan W

arum James und ich einen kleinen Ort auf der anderen Seite des Planeten gewählt haben? Weil Yuji uns davon erzählt hat. Beim letzten Mal als Yuji uns einen Trip vorgeschlagen hat, landeten wir in Kinabalu, dem jetzt so berühmten Berg, wo unberührter Granit den Kletterer überwältigt. Die Real Rock Tour hat Kinabalu berühmt gemacht, aber vor fünf Jahren, als wir da waren, konnte kein Kletterer diesen Ort auf die Landkarte der Kletterziele setzen. Wenn Yuji Hirayama dir einen Tipp gibt, solltest du ihn besser befolgen.

Kinkasan ist eine kleine Insel nicht weit von Fukushima, im Nordosten von Japan. Sie hat einen Umfang von 26 km und wird von zwei Mönchen bewohnt. Von Tokyo aus dauert die Reise sechs Stunden. Yuji hat kaum mehr erzählt: Kinkasans Küste ist von Granitklippen überzogen, und es gibt einen Shinto-Schrein. Yuji hat auch die vom Tsunami verursachten Schäden erwähnt...

Wir begannen unsere Reise mit nahezu gar keinen Erwartungen in Hinblick auf das Klettern, und mit einem großen Fragezeichen bezüglich des Rests.

Nach den ersten drei Tagen des Trips weiß ich genau, warum wir kamen: für Japan.

Vor zwei Jahren verbrachten wir eine Woche in diesem einzigartigen Land und sowohl James als auch ich wussten, dass wir eines Tages zurückkommen mussten: Womit konnte ich es vergleichen? Nun, wenn du zum ersten Mal Wein trinkst, hast du viel darüber gehört. Aber du riechst daran, und du riechst nur den Alkohol. Du musst es noch einmal versuchen, lernen, zu genießen, zu unterscheiden und zu erinnern. Vielleicht ist Japan ein bisschen wie Wein.

Es gibt eine verblüffende Mischung aus Moderne (die japanischen Toiletten und ihre Multi-Jets, Musik und selbstreinigende Optionen geben dir eine Vorstellung eurer Unterschiede) und Spiritualität, Respekt, Fokus.

Wir kamen im Base Camp an, der Kletterhalle, die Yuji vor fünf Jahren in Tokyo eröffnet hat, und ich schwanke zwischen Bewunderung und Scham. Ich bin ein Profikletterer, und die meisten Boulder sind zu schwer für mich. Die japanischen Kletterer um mich herum scheinen sich so mühelos zu entwickeln, wie fliegende Katzen an der Wand. Aber dann realisierst du: Die Weltmeisterschaft in Paris ist gerade vorbei und im Boulder-Wettkampf gingen nicht nur drei der sechs Medaillen an Kletterer aus Japan, sondern aus Tokyo, aus dem Base Camp. Yuji und seine Firma unterstützen die Athleten dabei, Profisportler zu werden und sie klettern oft gemeinsam. Soll ich das wiederholen? Die Hälfte der Weltmedaillen kommen aus einer Kletterhalle! Es ist sicher kein Wunder, dass Yuji der Eigentümer dieser Kletterhalle ist... Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs, denn hinter diesen drei Medaillen gibt es eine Menge anderer Sportler mit einem unglaublichen Niveau. Ich habe noch nie so viele gute, extrem gute Boulderer an einem Ort gesehen. Und ich bin ein ehemaliger Wettkampfkletterer, also glaub mir, ich weiß, wovon ich spreche.

Warum sind sie so gut? Die Antwort ist sicher kompliziert, aber hier sind einige Aspekte: Klettern ist mittlerweile sehr modern in Japan, es gibt über 100 Kletterhallen in Tokyo. Der japanische Körperbau ist perfekt zum Klettern: leicht, stark und explosive Muskeln. Der konstante Drang nach Perfektionismus der Japaner treibt jeden Sportler an, hart zu trainieren, genau wie jeder um sie herum einfach jede Aufgabe mit Perfektion ausführt.

Während der Überquerung war es trocken, und nachdem wir unsere Rucksäcke am Schrein ausgepackt hatten, boulderten wir eine Stunde an einem Strand in der Nähe bevor der Regen kam. Bei so vielen Felsen und so wenig Zeit wanderten wir entlang der Küste, um nach potentiellen Strecken zu suchen. Der Regen wurde stärker, wir wurden nasser, und nach vier durchnässten Stunden kehrten wir zum Schrein zurück, mit großen Hoffnungen, aber niedergeschlagen. Wir hatten diesen Trip seit September 2015 geplant, das Team zusammengestellt, Sponsoren gefunden, die lokale Logistik organisiert, dennoch wäre das alles umsonst, wenn sich das Wetter nicht bessern würde.

Ein verregneter Morgen diente als Anlass, einige Interviews aufzunehmen, obwohl wir ehrlicherweise wenig zu sagen hatten, da wir bisher kaum geklettert waren. Toru, der ewig ruhige Optimist, schliff mich schließlich währen deiner Pause zwischen zwei Regenschauern nach draußen zum nächsten Boulder-Spot, und überraschenderweise konnten wir klettern! Toru wurde seinem kühnen und brillanten Ruf gerecht und schaffte den ersten Aufstieg von zwei der wagemutigsten und schwersten Probleme auf Kinkasan. Endlich ging es aufwärts. Die Wettervorhersage für die folgenden Tage war gut, und die Gruppenpsychologie hätte nicht besser sein können. Wir begannen, unser bevorstehendes Abenteuer und unseren ersten Trip zur anderen Inselseite zu planen – die Gegend mit der höchsten Felsendichte und den größten Klippen. Diese Pläne mussten wir aber abkürzen, als es schlechte Nachrichten gab.

Der Schrein der Insel Kinkasan wurde einst von Hunderttausenden Besuchern im Jahr besucht, doch nach dem Tsunami schrumpfte diese Zahl auf nur 5 %. Die einzige Unterkunft der Insel, ein Hotel-Betonriese, ist jetzt nahezu leer, und in den ersten beiden Nächten waren wir tatsächlich die einzigen Gäste. Jedoch gibt es in dem Tempel zu seltenen Anlässen eine besondere Art Zeremonie, und Hunderte Anbeter aus ganz Japan reisen an. Morgen Abend fand eine solche Zeremonie statt, was für uns leider bedeutete, dass es in der Unterkunft und somit auf der gesamten Insel kein freies Zimmer mehr für uns gab!

Da die letzte Fähre die Insel um 10 Uhr morgens verlässt, war ein Start um 5 Uhr die einzige Möglichkeit, um noch einige Stunden mit Klettern zu verbringen, bevor wir gezwungen waren, eine Nacht auf dem Festland zu verbringen. Noch vor dem ersten Licht des Tages aufzuwachen und loszulaufen ist nie einfach, aber als wir im Klettergebiet ankamen und die Morgensonne durch die Bäume strahlte, war alle Müdigkeit schnell vergessen. Ich erschloss eine wunderschöne, kurze Strecke auf unberührtem, geformtem Granit und auch wenn das sicher nicht die schwerste Strecke war, die ich je geklettert bin, war die Qualität des Felsens fantastisch. Es ist selten, dass man neue Routen erschließen kann, ohne vorher viel cleanen zu müssen.

Bambi füttern. Es leben nur zwei Mönche auf der Insel, aber eine ganze Population Rehe hat sich hier angesiedelt! Photo: Eddie Gianelloni

Nachdem mein Drang zu klettern vorerst gestillt war, verließen wir die Insel in Ungewissheit: glücklich, und doch traurig, aber wir wussten, dass wir in weniger als 24 Stunden wiederkommen würden. Wir verbrachten den Tag mit Besuchen der am schwersten vom Tsunami betroffenen Städte, um besser verstehen zu können, was für eine schwere Zeit die Menschen vor Ort durchgemacht hatten, und wie sie nun in die Zukunft blickten. Es ist eine Sache, die Nachrichten vom bequemen Sofa aus zu Hause zu sehen, aber eine andere, alles aus nächster Nähe zu betrachten und mit den Menschen zu sprechen, die alle verloren haben – Häuser, Eigentum, geliebte Menschen! Plötzlich schienen unsere Probleme mit dem Regen unangenehm klein, und wir erinnerten uns daran, warum wir überhaupt hierher gekommen sind. Unsere persönlichen Kletterwünsche müssen an zweiter Stelle kommen, nach dem Hauptziel, diesen Ort der Welt zu zeigen. Ob Regen oder Sonne, wir müssen hierher kommen. In der Gegend wandern, das Potenzial dokumentieren, und, wenn wir Glück haben, am Ende ein paar neue Routen erschließen.

1 ISLAND, 2 MONKS AND UNTOUCHED GRANITE

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“Why did James and I pick a small dot on the other side of the planet?”

Because Yuji told us about it. The last time Yuji proposed us a trip, we ended up in Kinabalu, the now oh so famous mountain where untouched granite will overwhelm the climber. The Real Rock tour has thrown Kinabalu into fame, but 5 years ago, when we went there, no climber could even put it on the climbing

Kinkasan is a small island not far from Fukushima, on the north east side of Japan. It has 26km circumference and is inhabited by two monks. From Tokyo it is a six hour journey. Yuji didn’t say that much more: Kinkasan’s coast is covered with granite cliffs, and there is a Shinto shrine on it. Yuji mentioned as well the damages made by the tsunami…

We began our journey with next to no expectations about the climbing, and a big question mark for the rest. 3 days in the trip and I know exactly why we came: for Japan. 

2 years ago we spent a week in this unique country and both James and I knew that we had to come back one day: how could I compare it? Well, the first time you taste wine, you have heard a lot about it. But you smell, and you only smell the alcohol, you taste and you can’t put words on it because wine is subtle, complicated and requests an education. You have to go back to it, learn to enjoy, differentiate and remember. Japan is maybe a little bit like wine.

There is this astonishing mix of modernity (the Japanese toilets and their multi jets, music and self cleaning options give you an idea of the immensity of your difference)  and spirituality, respect, focus.

We arrived at Base Camp, the gym that Yuji opened 5 years ago in Tokyo, and I oscillate between marvel and shame. I am a pro climber, and most of the boulders are too hard for me, the Japanese climbers around me seem to evolve so effortlessly, like flying cats on the wall. But then you realise: the world championship have just finished in Paris and in the bouldering competition, 3 of the 6 medals are not only Japanese, but from Tokyo, from Base Camp. Yuji and his company helps the athletes become professional and they often climb together. Shall I repeat that? Half of the world’s medals come from one gym! Surely there is no wonder that Yuji owns that gym… But that is only just the very top of the iceberg, because behind this 3 medals, there are a lot of other athletes with an incredible level. I have never seen so many good, extremely good boulderers in one place. And I am a former competition climber, trust me, I know what I am talking about.

“Why are they so good?”

The answer is surely complicated but here are a few elements: climbing has become very trendy in Japan, with over a 100 gyms in Tokyo. The Japanese body type is perfect for climbing; light, powerful and explosive muscles. The Japanese constant pursuit of perfection pushes the athletes to train hard, just like everyone around them simply accomplished every task with perfection.

It was dry for the crossing, and after unpacking our bags at the shrine we bouldered on a nearby beach for 1 hour before the rain came. With so much rock to see and so little time, we hiked out anyway along the coast to search out potential lines. The rain became heavier, we became wetter, and after 4 soggy hours we returned to the shrine, hopes high but spirits low. We’d been preparing this trip since September 2015, putting the team together, finding funding from sponsors, organizing the local logistics, yet it would all be in vain if the weather didn’t brighten up.

A morning of rain gave us the excuse to sit down and record some interviews, though truthfully we had little to say as we’d done little climbing. Toru, ever the silent optimist finally dragged me out to the closest boulder spot during a break between two showers, and we were surprisingly able to climb! Toru lived up to his reputation of boldness and brilliance, making the first ascents of two of Kinkasan’s boldest and hardest problems. Finally things were looking up. The forecast was good for the following days, and group psyche could not have been higher. We began to plan our upcoming adventure and our first trip to the other side of the island – the area with the highest concentration of rock, and the biggest cliffs, but had to cut them short as bad news broke.

With my thirst for climbing temporarily quenched, we left the island in limbo, happy, yet sad, but knowing we’d be back in less than 24 hours. We passed the day visiting some of the worst tsunami affected towns in an effort to better understand what hardships the local people had to live through, and how they are moving forwards towards the future. It is one thing to watch the news from the comfort of your lounge back home, it is another thing entirely to see it first hand, and speak to the people who have lost everything - houses, possessions, loved ones!

Suddenly our troubles with the rain seemed embarrassingly small, and we remembered why we were actually here in the first place.

Our personal climbing desires must come second to the larger goal of showing this place to the world. Rain or shine, we have to get out there. Hike around, document the potential, and if in the end we are lucky, open up some new routes.